Neu erschienen: Der Berliner ist meist aus Posen…“ Posener Spuren im heutigen Berlin

(HS) „Der Berliner ist meist aus Posen oder Breslau“ – diese Feststellung Kurt Tucholskys (1890-1935) ist auch heute noch im öffentlichen Raum Berlins sichtbar. Posener haben deutliche Spuren im Stadtbild Berlins hinterlassen und nicht zu unterschätzende Beiträge zur Entwicklung dieser Stadt zur Metropole geleistet.

Und diesen Spuren ist Harald Schäfer, Bildungsreferent der djo – Deutsche Jugend in Europa/LV Hessen, in seinem neuesten Buch „Der Berliner ist meist aus Posen…“ nachgegangen, das in der Reihe „Blätter zur ostpolitischen Bildungsarbeit“ erschienen ist.

Die Geschichte Posener spiegelt sich auch im heutigen Stadtbild wider – vielfach unbekannt oder unbeachtet.

Viele Architekten und Städteplaner mit Geburtsort in der ehemaligen Provinz Posen des 19. und 20. Jahrhunderts gaben Berlin sein sich immer wieder wechselndes Gesicht. So entwarf der Architekt Adolf Sommerfeld die Waldsiedlung „Onkel Toms Hütte“ und Heinrich Mendelssohn zeichnete planerisch für den Bau des Europahauses verantwortlich.

Und Berlin war für die Posener ein großer Magnet. Wer etwas werden wollte, verließ die agrarisch geprägte Provinz und ging nach Berlin- so Berthold Kempinski, der als Weinhändler mit einer Gaststätte den Grundstein für die berühmte Hotelkette legte oder Rudolf Mosse, der in Berlin ein Zeitungsimperium aufbaute.

Große Namen und berühmte Zeugnisse aus Kunst, Geistes-, Kultur-, Gesellschafts- und Industriegeschichte sind mit dem „Posener Einfluss“ auf die Entwicklung Berlins und Deutschlands verknüpft.

Zahlreiche Persönlichkeiten, die in der Provinz Posen geboren sind, haben Berliner Kommunalpolitik maßgeblich mitgeprägt oder an herausragender Position Verantwortung getragen- wie z.B. der 1871 in Bythin (Kreis Samter) geborene Arthur Scholz, Bürgermeister der Stadt Berlin.

Am Widerstand gegen den Nationalsozialismus beteiligten sich viele Posener, so u.a. Herbert Baum, die vielfach in Plötzensee ihr Leben lassen mussten.

Nicht unerwähnt soll auch die weltberühmte Schauspielerin Lilly Palmer bleiben, die in Berlin aufwuchs und hier ihren Schauspielunterricht erhielt.

Der heutige Berliner ist das historische Produkt einer kontinuierlichen Zuwanderung. Der Charakter dieser Stadt ist von Ein- und Zuwanderern nachhaltig verändert und geprägt worden, die auf der Suche nach einem besseren Leben ihre alte Heimat verlassen und zu Bürgern ihres neuen Lebensmittelpunktes wurden.

In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebte Berlin eine stürmische wirtschaftliche Entwicklung. Mit den französischen Reparationen nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 versuchte Deutschland, den industriellen Rückstand gegenüber anderen europäischen Ländern aufzuholen. Die Reichshauptstadt war der ideale Standort für etliche innovative Unternehmer, die den Grundstein ihres wirtschaftlichen Erfolges in Berlin legten –so u.a. Hermann Aron, der die technischen Grundlagen für die Messung des Verbrauchs von elektrischen Strom entwickelte.

Arbeitskräfte wurden benötigt, die vor allem aus Brandenburg, Pommern, Ost- und Westpreußen, aus Posen und Schlesien nach Berlin kamen. Die Einwohnerzahl Berlins und der 1920 eingemeindeten Städte wuchs in den Jahren von 1871 bis 1910 von rund 930.000 auf 3,7 Millionen Menschen. Mit der Gründung des Deutschen Reiches war Berlin die Hauptstadtfunktion zugefallen. So war sie u.a. ein attraktiver Anziehungspunkt für initiative und kreative Persönlichkeiten (u.a. die Maler Walter Leistikow und Lesser Ury).

Juden aus der Provinz Posen haben in hohem Maße zum Aufstieg Berlins, zu ihrer Modernität, ihrer Offenheit gegenüber neuen Ideen, ihrer Toleranz, kurz: zu ihrem Weltstadt-Charme beigetragen. Zu ihnen gehörte Salman Schocken, Besitzer des gleichnamigen Warenhauskonzerns, Mäzen der Wissenschaft und bibliophiler Verleger, der 1877 in Margonin geboren wurde. Ein weiterer Warenhauskönig, nämlich Hermann Tietz, stammte aus Birnbaum und er betrieb in Berlin u.a. am Alexanderplatz ein Kaufhaus – allgemein bekannt ist die Kette unter dem Namen „Hertie“.

Dieses Buch versteht sich auch als Beitrag zur aktuellen Diskussion über Migration und Zuwanderung. Die Zuwanderung von Menschen – das ist sozusagen das Credo der Veröffentlichung –  ist in erster Linie als Chance und nicht als Bedrohung zu verstehen.

Gestalten wir das Miteinander- das Ergebnis wird in vielen Fällen Bereicherung und fruchtbare Entwicklung sein.

Diese neue Veröffentlichung ist ein weiterer konkreter Beitrag zur Ausge-staltung der Landespartnerschaft „Hessen-Wielkopolska“ und der Patenschaft des Landes Hessen über die Landsmannschaft Weichsel-Warthe. So wird aus einem Beitrag der Historie und Erinnerungskultur ein nachdenkenswerter Beitrag zur aktuellen Diskussion über die Zuwanderung in Deutschland.

Das Buch ist das Ergebnis aus der Erarbeitung von Seminarmaterialien, die für ein Mitarbeiterseminar der djo-Hessen zusammengetragen wurden, das im vergangenen Jahr am hessischen Gedenktag für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation in Berlin durchgeführt wurde.

Harald Schäfer:  „Der Berliner ist meist aus Posen…“ Posener Reminiszenzen im heutigen Berlin. , 315 Seiten   ISBN : 928-3-96014-244-7  (Blätter zur ostpolitischen Bildungsarbeit, Nr.13) , erschienen im Verlag Winterworks